Historie und Kritik des Aufbaus, Perspektiven

Historie

Mit dem Aufbau der Gravitationsdrehwaage in dieser Form, d.h. fest montiert und berührungslos steuerbar über eine Infrarot - Fernbedienung, sollte zunächst lediglich die jedes Mal langwierige, und was Erschütterungen angeht, äußerst kritische Einrichtung des Versuchs für den Physikunterricht eingespart werden. Was dieses Ziel angeht, so lief dieser Versuch über 10 Jahre, von 1999 an, nach einmaliger Justierung des Laserstrahls auf die Skala ohne Fehl und Tadel, d.h. ohne jede weitere Nachjustierung, und war jederzeit verfügbar, die 24-stündige Auspendelphase mal ausgenommen.

Der Versuch sollte eine Demonstration der Massenanziehung erlauben und zusätzlich auch eine Ermittlung der Gravitationskonstanten - ohne Fehlerbetrachtung. Die Versuche ergaben einen Wert für die Gravitationskonstante von ca. 6 x 10 EXP(-11) Nm²/kg², der tatsächlich in der Größenordnung der Gravitationskonstanten liegt. Mehr lässt sich da, ohne eine eingehende und recht schwierige Fehlerbetrachtung des Messvorgangs nicht sagen. Der genaue Wert der Gravitationskonstanten kann auf der Webseite der PTB Braunschweig in Erfahrung gebracht werden. 

Die zur Positionierung der beiden 1,5 kg schweren Feldmassen erforderliche Motorsteuerung mittels Schrittmotor, die Steuerung des Lasers (ein/aus) und die Infrarot-Steuerung mittels handelsüblicher Fernbedienung  wurden mit Technologien realisiert, die Gegenstand des Unterrichts waren und damit auch von zumindest einem Teil der Schüler verstanden werden konnten.  

Didaktisches Ziel war also einerseits einen Versuch für den Physik­unterricht verfügbar zu machen, andererseits über einen Gegenstand zu verfügen, an dem man moderne Steuerungs­technologien (Schrittmotorsteuerung, Mikrocontroller mit I2C-Bus und IR-Fernbedienung) sinnvoll demonstrieren konnte. 

Entscheidend war dabei die Unterstützung der Fa. Lipowsky Industrieelektronik, Darmstadt, bezüglich der Mikrocontrollertechnik und der TU Darmstadt, was den mechanischen Aufbau angeht. Ohne diese Unterstützung wäre das Projekt gar nicht machbar gewesen. Die Fa. Liposwsky hatte bereits zu dieser Zeit, lange vor dem Jahr 2000, ein 8051 basiertes Mikrocontrollersystem auf dem Markt, welches neben der Controllerhardware, Schnittstellen zur Integration von handelsüblichen Sensoren und Aktoren,  eine Infrarot-Schnittstelle sowie eine vollständige Entwicklungsumgebung zur Verfügung stellte. Mit anderen Worten ein 'zu Ende gedachtes' Mikrocontrollersystem, wie es uns heute, 20 Jahre später, z.B. in Form des Arduino Projekts erst allgemein verbreitet zur Verfügung steht. Dieses Mikrocontrollersystem hat uns in den 99er Jahren und in deren Folge wertvolle didaktische Hilfe bei der Erläuterung und Demonstration von Audio- und Videotechnologien geleistet und bildete die Grundlage für die Errichtung eines Labors für die Radio- und  Fernsehtechniker- Ausbildung.

Nachdem der Versuch so reibungslos funktionierte, lag die Idee nicht fern, diesen auch via Internet einem über die Schule hinaus gehenden interessierten Kreis, gedacht war da zunächst an andere Schulen, verfügbar zu machen, wenn dies auch dann erst einmal an der fehlenden Zeit scheiterte - der 'normale' Unterricht ( 24 Wochenstunden ) will ja auch erst einmal gemacht sein.

Innerhalb des Unterrichts für die Programmiersprache JAVA wurde im Beruflichen Gymnasium die Idee der Programmierung eines Webservers entwickelt, wozu zunächst aber erst einmal die Hardwarevoraussetzungen für die Messdatenerfassung der Probemassen-Bewegung geschaffen werden mussten. Die Wahl fiel dabei (2009) auf ein Embedded-Linux-System der Firma ACME Systems aus Ladispoli, Italien, welches den Java-Webserver, die Sensorauswertung der Skala und die Infrarot - Fernsteuerung der Drehwaage übernehmen sollte. D.h. es musste eine elektronische Skala entwickelt werden, welche die Fotodetektoren zur Strahlerfassung und deren Mess­daten­auswertung, sowie die dazugehörigen C -Bibliotheken enthält. Dasselbe gilt für die IR-Fernsteuerung der Drehwaage (Feld­massen­positionierung + Lasersteuerung). Hinzu kamen noch die Bibliotheken für die Beleuchtungssteuerung des Versuchs, um ihn auch bei Dunkelheit durchführen zu können. - Dieses Webserver-Projekt wurde im Jahr 2012 auch dann von einem Schüler im Rahmen einer besonderen Lernleistung als 'Proof of Concept' in einer schnellen LAN-Umgebung der Schule vorgeführt.

Eine ganz andere Sache ist es dann noch einmal, dies im Internet zu realisieren, da die beiden Video-Kameras, die den Versuch noch begleiten, eine nicht geringe Bandbreite beanspruchen. Erfreulicherweise hat uns in der Folge die Stadt Darmstadt eigens dazu einen schnellen Internet-Zugang verfügbar gemacht, mit dem dann die Tests innerhalb eines zweiten Projekts des BG beginnen konnten.

 

Kritik

Technisch lässt sich an dem Gravitations-Drehwaage-Projekt, heutiger technischer Stand und die bisherigen Erfahrungen damit vorausgesetzt, eigentlich alles besser machen. An erster Stelle wäre der Webserver durch den viel leistungsfähigeren (und viel billigeren) Raspberry 3 ersetzbar. Auch die Schrittmotorsteuerung wäre nicht mehr erste Wahl, obwohl sich die vorliegende Lösung für unsere Zwecke als ausreichend erwiesen hat. So treten beim Positionieren der Feldkugeln vertikale Schwingungen auf, die sich jedoch auf ein erträgliches Maß durch die Wahl einer geeigneten Schrittgeschwindigkeit minimieren lassen.

Zu überprüfen wäre eine Lösung mit Mikroschrittsteuerung oder eine mit Servomotor, das aber sind Lösungen, die für schulische Verhältnisse ins Geld gehen. An der IR-Fernsteuerung, der Skala mit ihren 64 Fotodetektoren und den dazugehörigen AD-Wandlern und an der Drehwaagen-Elektronik müsste man wohl unter diesen Bedingungen nichts ändern. Eine Aufrüstung der Skala auf 128 Fotodetektoren und AD-Wandler-Kanäle wäre technisch ohne große Probleme möglich.

Die Drehwaage selber gehört nicht wirklich an einen Betonpfeiler, hier bei uns auf einem Stahlchassis in ca. 20cm Abstand montiert, denn dessen Massen wirken natürlich auch auf die Probemassen der Waage. Ideal wäre natürlich ein Platz, freistehend in der Mitte eines großen Raumes, auf einem superstabilen Betonfundament. Wer die Waage, wie wir, aus Platzgründen, trotzdem an eine Wand oder einen Betonpfeiler befestigt sollte überprüfen, ob diese auch frei von Erschütterungen sind. Bei unserer Anordnung ist dies leider nicht der Fall, da die Lüftungsanlage der Schule einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Probemassen hat. Auch hat dies verhindert, die Drehwaage an einem prominenteren Platz, sichtbar für alle Schüler, in der Schulstraße zu montieren.

Die Webserverentwicklung ist Gegenstand von Schülerprojekten und wird sich sicher noch in der Folge durch die Überprüfung verschiedener Technologien stark ändern.

 

Perspektiven

Darüber hinaus könnte man natürlich die Webpräsentation des Versuchs innerhalb von kleinen Schüler­projekten des Sprachunterrichts mehrsprachig machen, die Messungen der Gravitations­konstante im Physikunterricht auf ihre Aussagekraft überprüfen oder gar im Mathematikunterricht die Möglichkeit der Auswertung über die Schwingungsdauer mit Hilfe der Fast-Fourier-Transformation. Die Nutzung des Vesuchs durch Schulen bzw. Schüler im Ausland könnte die Möglichkeit sachbezogener und lebendiger internationaler Schul-Kontakte eröffnen.

Webcam Drehwaage
Webcam Skala