• Vorbemerkung zum Cavendish-Experiment

Eigentlich wollte Henry Cavendish mit seinem Experiment aus dem Jahre 1798 nur die Dichte der Erde bestimmen. Dazu benötigte er das Volumen und die Masse der Erde. Da er das Erdvolumen dank des damals bekannten Wissens über den Erdradius und die Kugelgeometrie berechnen konnte, blieb ihm nur noch die Aufgabe, mit Hilfe seines Experiments den Wert der Erdmasse zu ermitteln. Dies allerdings setzt voraus, dass die zwischen zwei irdischen Körpern wirksame Gravi­tations­­kraft experimentell bestimmt wird. Damit konnte dann mit Hilfe des von Newton im Jahre 1686 formulierten Gravitationsgesetzes die Gravitationskonstante G berechnet werden. Wie wir an anderer Stelle bereits gezeigt haben, lässt sich unter dieser Voraussetzung die Masse der Erde berechnen.

Insofern begründen die mit Hilfe der Befunde von Cavendish erstmals bestimmbare Gra­vi­­tations­konstante als auch sein Verfahren zur Messung einer Gravitationskraft die heraus­ragende Bedeutung des Cavendish-Experiments – insbesondere im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Physik. Erst die Kenntnis des Werts der Gravitationskonstanten ermöglicht die praktische Anwendung des Gravi­tations­gesetzes. 

Die praktischen Erfahrungen mit unserer Gravitationsdrehwaage haben auch uns immer wieder vor Augen geführt, worin das Kernproblem des Cavendish-Experiments liegt: Die extrem kleinen Gravi­tations­kräfte (siehe dazu mehr im folgenden Abschnitt). Auch Cavendish hat keine Mühen gescheut, dieses Problem mit einer außer­gewöhnlich empfindlichen Messanordnung durch die Gestaltung geeigneter Randbedingungen zu lösen. Aus seinem Bericht wird deutlich, dass er unermüdlich mit sehr viel Geduld beobachtet hat, immer wieder Anordnungen und Auswertungsverfahren variierte und Messungen systematisch wiederholte.

 

• Die vier Elementarkräfte der Physik

Die eingangs zitierten Zeilen aus Goethes Faust legen die Deutung nahe, als ginge es hier allein um das »Innerste« der Körper dieser Welt, also den Zusammenhalt der kleinsten Teilchen der Körper wie Atome oder andere Elemen­tar­teilchen. Diese Beschränkung lag sicherlich auch nicht in der Absicht Goethes. Vielmehr geht es darum zu erklären, was die Welt überhaupt zusam­menhält. Unter physi­ka­­­lischen Gesichtspunkten kommt hier auch die Gravitation ins Spiel. Denn sie gehört zu den vier Elementarkräften, die das Universum zusammenhalten. Dazu gehören

  1. die Gravitationskraft zwischen Massen,
  2. die Elektromagnetische Kraft zwischen elektrischen Ladungen,
  3. die Kraft der starken Wechselwirkung zwischen Hadronen (z.B. Protonen und Neutronen) und
  4. die Kraft der schwachen Wechselwirkung zwischen Leptonen (z. B. Elek­tronen und Neutronen).[1]

Die Gravi­tationskraft ist universell wirksam, d. h. sie wirkt auf alle Körper und Teil­chen. Sie ist zwar sehr schwach im Vergleich zu den anderen vier Kräften, sie kann allerdings über sehr große Ent­fer­nungen wirken. Außerdem wirkt sie stets anziehend, Ab­stoßungs­wirkungen wie bei den elektro­magnetischen Kräften gibt es bei der Gravitation nicht. Auch wenn sie beispielsweise bezüglich ihrer Wirkung auf Elementar­teilchen als vernachlässigbar klein angenommen werden kann, können sich Gravitationskräfte wegen ihrer Wirkung über große Entfer­nungen hin­weg bei einer hinreichend großen Zahl von Materieteilchen addieren und die »Oberhand über alle anderen Kräfte gewinnen. Aus diesem Grund bestimmt die Gravitation die Ent­wicklung des Universums.«[2]

 


[1] Vgl. Wikipedia: Fundamentale Wechselwirkung

[2] Hawking, Stephen W.: Eine kurze Geschichte der Zeit, Die Suche nach der
     Urkraft des Universums, Reinbek bei Hamburg 1991, S. 106.

 

Fortsetzung: Über die Messung kleiner Kräfte.