• Newtons Problemreduktion
»Die Schwere kommt allen Körpern zu, und ist der in jedem enthaltene Menge der Materie proportional.«, so beschreibt Isaac Newton in seinen Principia die universelle Anziehung aller Massen.[1]
Ein kurzer Blick auf den klaren Nachthimmel (Bild 2) macht deutlich: Selbst wenn nur die Körper, die man dort sieht, sich alle gegenseitig anziehen (Bild 1), wie soll dann bei dieser schier unendlich erscheinenden Zahl von Massen die Größe jener resultierenden Kraft bestimmt werden, mit der ein einzelner Körper von allen anderen Massen des Universums angezogen wird?
Newton hat dieses Mehrkörper-Problem auf ein Zweikörper-Problem reduziert, indem er aus dem universellen Naturzusammenhang zwei Körper isolierte, nämlich Erde und Mond, und sich auf die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Körpern konzentrierte.
Zugleich hat er in einem weiteren Schritt von der wahrnehmbaren Wirklichkeit abgesehen: Er nahm vereinfachend an, dass die räumliche Ausdehung des Mondes (Durchmesser: 3.476 km) aufgrund seiner großen Entfernung zur Erde (ca. 384.000 km) vernachlässigbar klein sei, d.h. für Newton war der Mond eine punktförmige Masse (Massepunkt-Modell), die sich auf einer nahezu kreisförmigen Bahn um die Erde bewegt (siehe Bild 3).
Fazit: Jeder, der den Mond in einer klaren Vollmondnacht einmal genauer in Augenschein genommen hat, dürfte es schwer fallen, sich den Mond als Punkt vorzustellen. Gleichwohl: Nur unter der Voraussetzung, die Wirklichkeit so zu beschreiben, wie wir sie nicht wahrnehmen, war es Newton möglich geworden, ein Gesetz über die die Größe der Gravitationswirkung zwischen Körpern zu formulieren.
Bei der nachfolgenden Herleitung des Gravitationsgesetzes betrachten wir Erde und Sonne ebenfalls als von anderen Himmelskörpern isolierte und unbeeinflusste Elemente eines Zweikörper-Modells. Auch diese beiden Körper können wir uns aufgrund der Größenverhältnisse jeweils auf einen Massepunkt komprimiert denken, denn der Durchmesser der Sonne ist mit 13,927 Millionen km über 100 mal kleiner als die Entfernung zwischen Sonne und Erde (149,6 Millionen km) und die Erde ist noch einmal über 100 mal kleiner als die Sonne.
[1] Newton, Isaac: Mathematische Prinzipien der Naturlehre, London 1726 (3. Ausgabe), hrsg. von Jakob Ph. Wolfers in deutscher Übersetzung, Berlin 1872, Nachdruck: Darmstadt 1963 (Wissenschaftliche Buchgesellschaft). Lateinische Erstausgabe: London 1687, S. 392 (III. Buch, § 9).
Fortsetzung: Newtons Gravitationsgesetz von 1686
Bild 1: »Alle Massen ziehen sich gegenseitig an.« (Newton)
Bild 2: Sternenhimmel über Arosa (Schweiz)
Bild 3: Der Mond als Massepunkt – Maßstäbliche Darstellung der Erde–Mond–Entfernung