• Historische Voraussetzungen des Gravitationsgesetzes
Newton konnte bei seiner Begründung des Gravitationsgesetzes auf folgende theoretische Voraussetzungen zurückgreifen:
Die erstmals von Galileo Galilei getroffene Unterscheidung von gleichförmiger und beschleunigter Bewegung und die von ihm auf dieser Grundlage entwickelten Kinematik-Gesetze der geradlinigen Bewegung (1638).
- Die von Johannes Kepler entdeckten kinematischen Gesetze der Planetenbewegung (Keplersche Gesetze von 1609).
- Die von Newton selbst unter Bezugnahme auf Arbeiten von Christian Huygens und Robert Hooke erarbeiteten kinematischen Gesetze der Kreisbewegung zur Bestimmung der Bahngeschwindigkeit v und Zentripetalbeschleunigung az (um 1673).
- Die ebenfalls von Newton in seinem Hauptwerk dargelegten Axiome (Grundsätze) seiner Theorie der Bewegungen und ihrer Ursachen (1686).
Im Einzelnen ging es dabei insbesondere um folgende physikalische Bestimmungen:
- Die Newtonschen Axiome der Mechanik (Grundsätze)
1. Axiom (Trägheitsprinzip): Ein Körper beharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird seinen Zustand zu ändern.
2. Axiom: Die Änderung der Bewegung ist der Einwirkung der bewegenden Kraft proportional und geschieht nach der Richtung derjenigen geraden Linie, nach welcher jene Kraft wirkt.
Aus F ~ a folgt mit m = const. das Dynamische Grundgesetz (Gleich. [2]) zur Berechnung der Größe einer Kraft F, die einem Körper mit der Masse m die Beschleunigung a verleiht.
3. Axiom (Wechselwirkungsprinzip): Die Wirkung ist stets der Gegenwirkung gleich, oder die Wirkungen zweier Körper auf einander sind stets gleich und von entgegengesetzter Richtung.
- Kinematik der Kreisbewegung eines Massepunktes
Bei einem vollständigen Umlauf legt der auf einer Kreisbahn rotierende Köper während der Dauer T eines Umlaufs einen Weg von s = 2 · ∏ · r (Kreisumfang) zurück. Damit ergibt sich für die Berechnung der Bahngeschwindigkeit v eines Massepunktes auf einer Kreisbahn mit dem Radius r und der konstanten Umlaufdauer T die in Gleich. [3] angegebene Formel.
Jeder auf einer Kreisbahn sich bewegender Körper muss in jedem Moment zum Zentrum der Kreisbahn hin beschleunigt werden, um auf der Kreisbahn zu bleiben. Für diese Zentripetalbeschleunigung az gilt nach Newton (Principia, § 18, Zusatz 1) die in Gleich. [4] angegebene Formel. Setzt man in Gleich. [4] für die Bahngeschwindigket v die Gleich. [3] ein, so ergibt sich für die Zentripetalbeschleunigung az die Formel in Gleich. [5]. [1]
- Kepler-Konstante der Planetenbewegung
Nach dem dritten Keplerschen Gesetz verhalten sich die Quadrate der Umlaufzeiten T1 und T2 zweier um einen gemeinsamen Zentralkörper sich bewegender Himmelskörper wie die Kuben der großen Halbachsen a1 und a2 ihrer Ellipsenbahnen (Gleich. [6].
Aus diesem Gesetz von Johannes Kepler folgt, dass für ein und denselben Zentralkörper (z.B. die Sonne) der Quotient T12 / a13 = T22 / a23 = ... für alle ihn umkreisenden Umlaufkörper (Planeten) den gleichen Betrag hat und von daher konstant ist. Daher wird dieser in Gleich. [7] angegebene Quotient auch als Kepler-Konstante C bezeichnet.
[1] Diese Beziehung wurde 1673 von Christian Huygens erstmals publiziert. Unabhängig davon hatte Newton sie bereits einige Jahre zuvor auch aufgestellt, allerdings seinerzeit (wie auch Huygens) noch als Wirkung einer Zentrifugalkraft interpretiert. Vgl. Cohen, I. Bernhard: Newtons Gravitationsgesetz – aus Formeln wird eine Idee, in: Spektrum der Wissenschaft, Mai 1981, S. 111.
Fortsetzung: Weitere vereinfachende Annahmen
Bild 6: Titelblatt der
»Principia« von 1686
Gleich. [2]: Grundgesetz
der Dynamik
Gleich. [3]: Bahn-
geschwindigkeit v
Gleich. [4]: Zentripetalbeschleunigung. Setzt man für die Bahngeschwindigkeit v die Gleich. [3] ein, so ergibt sich:
Gleich. [5]: Zentripetalbeschleunigung
Gleich. [6]: Drittes Kepler-Gesetz
Gleich. [7]: Kepler-Konstante
Bild 7: Johannes Kepler (1571-1630)