• Formale Herleitung: Zur Vorgehensweise
Vorbemerkung zur Vorgehensweise
Bei dem von Newton entwickelten Gravitationsgesetz geht es um die Bestimmung der Kraft, mit der sich zwei Körper mit den Massen m1 und m2 gegenseitig anziehen. Diese Kraft wird als Gravitationskraft bezeichnet – oder: Die »Kraft der Schwere« [lat. grave] eines Körpers, wie es bei Newton heißt.
Wir gehen bei den folgenden Überlegungen davon aus, dass jeweils einer der beiden Körper als ruhender Zentralkörper diene, während der jeweils andere als Umlaufkörper den Zentralkörper umkreise, wie z. B. der Mond die Erde oder die Erde die Sonne.
Annahme 1 (Bild 9): Im ersten Fall sei der Körper mit der Masse m1 der Zentralkörper, wie beispielsweise die Sonne in unserem Sonnensystem, und der Körper mit der Masse m2 sei der Umlaufkörper. Er umkreist wie die Erde und die anderen Planeten die im Zentrum unseres Sonnensystems ruhende Sonne (gr. helios). Deshalb bezeichnen wir diese Annahme als »Heliozentrisches Modell« (Bild 9).
Annahme 2 (Bild 10): Danach tauschen wir die Funktionen der beiden Körper, indem wir den Körper mit der Masse m2 als ruhenden Zentralkörper betrachten und den Körper mit m1 als Umlaufkörper. Weil wir uns in diesem Fall die Freiheit erlauben, die Sonne mit der Masse m1 gleichsam um die im Zentrum ruhende Erde (gr. geos) mit der Masse m2 rotieren zu lassen, handelt es sich bei dieser Annahme gewissermaßen um ein »Geozentrisches Modell« (Bild 10).
Um Missverständnisse zu vermeiden: Dies ist kein Rückfall in vorkopernikanische Zeiten, sondern eine modellhafte Veranschaulichung in eher provokativer Absicht. Es ist auch nicht intendiert, durch den stringenten mathematischen Formalismus in der hier gewählten Form der Darstellung den Eindruck zu erwecken, als sei die newtonsche Begründung des Gravitationsgesetzes frei von logischen Brüchen oder spekulativen Elementen und Modellen (vgl. dazu die Vorbemerkung auf der Seite über Newtons Problemreduktion sowie die auch selbstkritisch verstandenen Hinweise auf der Seite mit einigen Kritischen Anmerkungen zur Herleitung des Gravitationsgesetzes.[1]
[1] Eine vergleichbare Voraus-Setzung finden wir auch bei Newton. So ging er bei der Berechnung der auf den Mond wirkenden Kraft von der »Hypothese aus, dass die Erde ruhe.« Principia, a.a.O., S. 387.
Fortsetzung: Heliozentrisches Modell
Bild 9: Heliozentrisches Modell: Körper 1 mit der Masse m1 als Zentralkörper
Bild 10: Geozentrisches Modell: Körper 2 mit der Masse m2 als Zentralkörper